Schweden aus der Ferne...

Seit meinem letzten Blogartikel ist einige Zeit vergangen, die Situation hat sich, was Corona angeht, zumindest in Deutschland im Moment etwas entspannt, wir haben uns an die Maskenpflicht gewöhnt und uns im Alltag soweit es geht arrangiert. Dafür hat sich der Blick auf die vermeintlich entspanntere Situation in Schweden gewandelt. Inzwischen ist die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die meisten europäischen Länder aufgehoben worden. Ausgenommen davon ist Schweden, weil die Infektionszahlen dort derzeit über der Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner liegt. Daher gilt in fast allen deutschen Bundesländern eine Quarantänepflicht für Reisende aus Schweden.

 

Ich bin immer noch gelinde gesagt erstaunt, dass Schweden sich angesichts der Pandemie so anders verhalten hat als seine skandinavischen Nachbarländer, was ungewöhnlich ist. Seit Beginn des Lockdowns bei uns durchforste ich regelmäßig das Netz auf der Suche nach Fakten, Hintergründen und Meinungen zur Situation in Schweden. Ich versuche zu verstehen. Aber es will mir nur bedingt gelingen. Kürzlich habe ich einen Podcast des Spiegels zum vielzitierten "Schwedischen Weg" gefunden, der sich meiner Meinung nach wirklich lohnt. Für diejenigen, die Schwedisch verstehen, empfehle ich außerdem eine Dokumentation des schwedischen Fernsehens über die Situation in den Krankenhäusern. Die Links gibt es am Ende des Textes.

 

Nachdem mein Freund und ich immer noch vage gehofft hatten, am Ende des Sommers vielleicht doch noch nach Schweden fahren zu können, haben wir für uns gerade entschieden, dieses Jahr darauf zu verzichten. Ich weiß, rein rechtlich hätten wir jederzeit reisen können, aber als Tourist nach Schweden zu fahren, während die Schweden dazu aufgerufen waren, selbst Reisen innerhalb ihres Landes möglichst zu vermeiden, hätte ich nicht gewollt. Ich habe hier ja auch vieles, was nicht explizit verboten war, aus Rücksicht auf die Gemeinschaft nicht getan. Inzwischen ist Reisen innerhalb Schwedens auch für die einheimische Bevölkerung wieder erlaubt, aber es gilt für sie weiterhin eine Reisewarnung für Reisen ins Ausland. Außerdem dürfen sie in viele Länder aufgrund der Infektionslage noch nicht einreisen.

 

Also hoffen wir, dass sich die Situation bis zum nächsten Jahr entspannt hat und wir wieder guten Gewissens reisen können. Ich bin auf jeden Fall sehr froh darüber, dass wir im letzten Jahr vier Wochen lang in Südschweden unterwegs waren. Wir haben uns im Frühjahr einen alten Hubdachwohnwagen gekauft und wochenlang saniert. Pünktlich Ende Juli konnten wir losfahren. Damit war ein sehr lange gehegter Wunsch erfüllt. Aber das ist eine andere Geschichte...

 

Im Nachhinein sind die Erinnerungen an den August 2019 für uns noch spezieller geworden. So unbeschwert werden wir wahrscheinlich lange nicht mehr unterwegs sein. Auch wenn die Pandemie hoffentlich irgendwann Geschichte sein wird, die Ereignisse in Europa werden noch lange nachwirken. Geschlossene Grenzen, Einreisebeschränkungen, aufkeimender Nationalismus - erstaunt rieben wir uns die Augen angesichts der sich überschlagenden Ereignisse. Was vor allem erschreckte war, wie schnell die Grenzen zugingen. Ich werde wohl nie den Moment vergessen, als ich Mitte März in den Abendnachrichten Bilder der Colorline-Fähre nach Norwegen sah und der Nachrichtensprecher sagte, das Schiff würde jetzt noch genau einmal nach Norwegen auslaufen und dann dort liegen bleiben. Da wusste ich, jetzt wird es ernst. Für mich, die ich fast dreißig Jahre in Kiel gelebt habe, mit dem Rhythmus der jeden Tag nach Oslo pendelnden Fähre, war das einfach nicht greifbar. Auch wenn die Grenzen langsam wieder aufgehen und wir alle hoffen, dass das auch so bleibt, wissen wir doch um die Fragilität der europäischen Freizügigkeit, die wir für selbstverständlich gehalten hatten. Wie tief diese Verunsicherung sitzt und wie lange sie nachwirkt, werden wir sehen.

Nachtrag:

Den Blogartikel habe ich vor ein paar Tagen geschrieben. Inzwischen hat Schweden die Reisewarnung für 10 europäische Staaten ab dem 30 Juni aufgehoben - Deutschland ist nicht dabei, was an der Quarantäneregelung für Schweden bei uns liegt.

 

Heute Mittag lief der Beitrag von Anders Tegnell im Programm "Sommarvärdar" auf P1 (Sverigesradio). Für alle, die Schwedisch verstehen, sind es 88 Minuten (verkürzt 53), die sich lohnen. Mich hat  das Gehörte auf jeden Fall (mal wieder) sehr nachdenklich gemacht...


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